Warum der Umbau des Energiesystems fast zwangsläufig zur Elektromobilität führt und wie weit die Batterieentwicklung dafür fortgeschritten ist.

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, RWTH Aachen

Um die Klimagasemissionen  auf Netto-Null zu bekommen, ist ein grundlegender Um- bau des Energiesystems notwendig. Während bis heute aus biogenen und fossilen Energieträgern Wärme erzeugt und dann in mechanische Bewegungen umgesetzt oder zur Stromerzeugung eingesetzt wird, wird in Zukunft die erste verfügbare Energieform direkt elektrische Energie sein. Diese kann mit sehr hoher Effizient in Bewegung, Licht, Kommunikation, Wärme oder chemische Energieträger (z.B. wie Wasserstoff, Methan, Methanol, Ammoniak oder flüssige Kohlenwasserstoffe)  umgesetzt werden. Wo Strom direkt oder über den Einsatz von Batterien ver wendet werden kann, wird die höchste Systemeffizienz  erreicht und führt daher direkt zur batteriebasierten Elektromobilität. Gleichzeitig werden Batterien aber z.B. für den kommerziellen Flugverkehr auch lang- fristig zu schwer sein.

Für Lithium-basierte Batteriesysteme  gibt es eine Vielzahl verschiedener Elektro- materialien, die in unterschiedlichen Eigenschaften resultieren. So lassen sich hohe Energie- oder Leistungsdichten, sehr sichere oder sehr langlebige Batteriezellen herstellen. Die Preise für Batteriezellen  sind für Großabnehmer gegenüber der Markteinführung  1991 um den Faktor 30 bis 100 gefallen. Mit der neuen Klasse der Natrium- Ionen-Batterien  kommt jetzt auch eine Technologie, die ohne Lithium auskommt. So lassen sich Batterien auch ohne die Metalle Kobalt, Nickel und Lithium herstellen. Damit stehen bei Verknappung der Rohmaterialien Alternativen zur Verfügung, auch wenn dies teilweise mit reduzierten Leistungsparametern  einhergeht. Für einen erfolgreichen Batterieeinsatz  sind aber auch Fragen der Alterung, der Betriebsstrategien, der Diagnostik und der Sicherheitsarchitekturen  zu untersuchen und zu optimieren. Dafür ist sowohl eine umfassende Materialdiagnostik als auch das Prüfen und Testen einer großen Zahl von Batteriezellen notwendig. Für die Datenanalyse  und die Diagnostik kommen Verfahren der KI und des Machine Learnings zum Einsatz.

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer studierte Physik an der TH Darmstadt und arbeitet von 1992 bis 2003 beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg zu den Themen Speichersysteme  und Energiemanagementkonzepte für Netzferne Energieversorgungen und dezentrale  Anwendungen im Stromnetz. Im Jahr 2003 wurde Dirk Sauer als Juniorprofessor an die RWTH Aachen für das Lehr- und Forschungsgebiet "Elektrochemische Energiespeicherung und Speichersystemtechnik"  und 2009 bzw. 2012 als Univ.-Professor bzw. als Lehrstuhlinhaber  ebendort berufen. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Themen Batterie- und Energiespeichersysteme für mobile und stationäre Anwendungen in allen Facetten. Mitte 2022 konnte an der RWTH das in Europa einzigartige Forschungszentrum „Center for Ageing, Reliability, and Lifetime Prediction for Electrochemical and Power Electronic Systems (CARL)” in Betrieb  genommen werden, dessen Initiator und Gründungsdirektor Dr. Sauer ist. Schwerpunkte sind dabei Fragen der Lebensdauer, der mikroskopischen und makroskopischen  Alterungsprozesse, der Diagnostik, des Systemdesigns und der Wirtschaftlichkeit von Batteriesystemen. Dr. Sauer wurde 2020 mit dem Lehrpreis der RWTH ausgezeichnet und hat vier Startups mitgegründet.

Dirk Uwe Sauer ist u.a. Mitglied des Direktoriums des wissenschaftsbasierten Politik- beratungsprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (davon 7 Jahre als Vorsitzender), dass von den nationalen Wissenschaftsakademien  acatech, Leopoldina und Union der Wissenschaftsakademien getragen wird. Er leitet als Koordinator das BMBF-Kompetenz- cluster Batterienutzungskonzepte im Rahmen des Dachkonzepts „Batteriezellfertigung“. Von 2016 bis 2024 hat er das Fachgebiet „Elektrische Energieerzeugung, -übertragung, -verteilung und -anwendung“ als Fachkollegiat bei der DFG vertreten. Dr. Sauer ist ordentliches Mitglied der acatech und der Berlin-Brandenburgischen  Akademie der Wissenschaften (BBAW) sowie korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz.