Wo die Sterne stillstehen

Akademie-Mitglied Prof. Dr. Rolf Chini hat in der chilenischen Wüste seit 2005 eine Sternwarte errichtet, die nun seinen Namen trägt. Noch mehr als über die Umbenennung freut sich der Wissenschaftler aber über die Bedeutung, die das Observatorium für die astronomische Forschung hat und in Zukunft haben könnte.

Porträtfoto Prof. Dr. Rolf Chini

Rolf Chini reist noch immer regelmäßig nach Chile. Foto: privat

Die Rolf Chini Cerro Murphy-Sternwarte in der chilenischen Atacama-Wüste

Die Sternwarte steht in der Wüste. 150 Kilometer sind es bis zur nächsten Stadt. Foto: CAMK

Bau der Rolf Chini Cerro Murphy-Sternwarte: Prof. Dr. Rolf Chini steht auf einer Leiter.

Beim Bau der Sternwarte hat der Astrophysiker an vielen Stellen mit angepackt. Foto: privat

Bau der Rolf Chini Cerro Murphy-Sternwarte: Prof. Dr. Rolf Chini verlegt gemeinsam mit einer anderen Person Solarpanels auf dem Dach der Sternwarte.

Auch die Solarpanels hat er selbst auf dem Dach der Sternwarte montiert. Foto: privat

In der Astronomie gibt es in der Regel wenig Gewissheit. Ist eine Frage beantwortet, ergeben sich daraus unzählige neue. Trotzdem ist sich Prof. Dr. Rolf Chini, der ehemalige Leiter des Astronomischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum, bei einer Sache sicher: „Ich habe den besten Platz der Welt für Astronomie gefunden“, erklärt der 73-Jährige. Für Laien mag die Behauptung kühn klingeln. Schließlich ist unser Planet groß. Doch sie stimmt. Auf dem Cerro Murphy, einem Berg mitten in der chilenischen Atacama-Wüste, herrschen mit klaren Nächten, wenig Luftfeuchtigkeit und kaum atmosphärischen Turbulenzen nahezu perfekte Bedingungen für die astronomische Forschung. Oder um es mit Chinis Worten zu sagen: „Dort stehen die Sterne still“ und lassen sich somit ideal beobachten.

Das weiß auch die Europäische Südsternwarte (ESO), die nicht ohne Grund in der unmittelbaren Nachbarschaft das größte Teleskop der Welt baut. Aber der studierte Kernphysiker, der erst bei der Promotion zu seiner Jugendliebe, der Astronomie, zurückfand, war zuerst dort. 2005 entdeckte Chini das Gelände, das damals von der Universidad Católica del Norte für die geologische Forschung genutzt wurde.

Es gab weder eine Zufahrtsstraße noch Wasser oder Strom

Er erhielt die Erlaubnis auf dem Cerro Murphy eine Sternwarte mit einem 1,5-Meter-Teleskop zu bauen. Die Ausgangsbedingungen waren alles andere als optimal. Es gab weder eine Zufahrtsstraße noch Wasser oder Strom. „Wir haben mit einem Generator und einem Wasserfass angefangen“, erzählt der Astrophysiker. Als Schlafplatz diente ein Container, was in den eisigen Wüstennächten, daran erinnert sich der Forscher noch gut, sehr kalt war. Die ersten beiden Baufirmen gingen pleite. Laut Chini hatten sie den Aufwand unterschätzt. Erst mit der dritten Baufirma und unter anderem unterstützt von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste gelang es, das Projekt zu realisieren. Die Baupläne stammten von Chinis Frau, die Architektin ist. Bei der Umsetzung packte der Wissenschaftler an vielen Stellen selbst mit an.

Natürlich könnte man sich fragen, was der Aufwand sollte. Schließlich war die ESO auch damals schon mit eigenen, größeren Teleskopen in der chilenischen Wüste vertreten. „Keine 20 Kilometer entfernt, stehen Teleskope mit einem Durchmesser von acht Metern“, räumt auch der langjährige Institutsleiter ein. Wer diese Teleskope nutzen will, muss aber einen Antrag stellen und die Warteliste ist lang. Die wenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Anträge angenommen werden, bekommen ein oder zwei Beobachtungsnächte im Jahr. Langzeitbeobachtungen sind nicht möglich. Doch genau diese braucht die astronomische Forschung laut Chini. Deshalb wollte er sie seinen Studierenden mit der Sternwarte ermöglichen.

Sie haben 60.000 Sterne entdeckt, die noch nicht als variabel erkannt waren

Die Erkenntnisse, die auf diese Weise gewonnen wurden, geben ihm recht. „Wir haben jahrelang die südliche Milchstraße kartiert“, erzählt der Astrophysiker und ergänzt: „80.000 variable Objekte haben wir entdeckt. 60.000 davon waren bis dato noch gar nicht als veränderlich, also als Sterne mit Helligkeitsschwankungen, erkannt.“

Heute gehört das Gelände, auf dem die Sternwarte steht, der ESO. Auch das Observatorium selbst hat inzwischen den Besitzer gewechselt. Das Astronomische Zentrum Nicolaus Copernicus der Polnischen Akademie der Wissenschaften (CAMK) hat es 2020 von der Ruhr-Universität und der Universidad Católica del Norte, die es seit 2005 gemeinsam betrieben hatten, übernommen. Die polnische Akademie hat in den vergangenen Jahren drei neue Teleskope auf dem Cerro Murphy installiert. „Ein großes Teleskop kommt 2025 noch hinzu“, erklärt Chini, für den der verdiente Ruhestand offensichtlich noch keine Option ist. Er leitet den Umbau der Sternwarte.

Sie wollen die Hubble-Konstante genauer bestimmen

Bei der offiziellen Einweihung der drei neuen Teleskope im November 2023 überraschten ihn die polnischen Kolleginnen und Kollegen mit einer besonderen Ehrung. Sie benannten das Observatorium in „Rolf Chini Cerro Murphy“-Sternwarte um. Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mit der Sternwarte Großes vor. Sie wollen die Hubble-Konstante, die berühmte Konstante, die die Ausdehnung des Weltalls beschreibt, genauer bestimmen. Was sich für Nicht-Physiker zunächst wenig spektakulär anhört, wäre laut Chini vermutlich einen Nobelpreis wert. „Wenn wirklich nur noch ein, zwei Modelle übrigblieben, wüssten wir, wie es in Zukunft mit unserem Weltall weitergeht“, erklärt er. Der Forscher würde es seinen Kolleginnen und Kollegen von Herzen wünschen. Denn es ist nicht in erster Linie die Umbenennung, die Chini mit Stolz erfüllt. Er ist vor allem glücklich darüber, dass seine Sternwarte auch in Zukunft einen Beitrag für die astronomische Forschung leisten wird.

 

Weitere Informationen

Das größte astronomische Bild aller Zeiten
Die Astronominnen und Astronomen der Ruhr-Universität Bochum haben vom Cerro Murphy aus 2015 das bis dahin größte existierende astronomische Bild erstellt. Das Milchstraßenfoto mit 46 Milliarden Bildpixeln enthält Daten aus fünf Jahren astronomischer Beobachtung. Wer Interesse hat, kann es sich hier anschauen: http://gds.astro.rub.de/