Sie will alte Texte mit neuen Methoden erforschen
Elisa Cugliana betritt mit ihrer Forschung wissenschaftliches Neuland. Die promovierte Philologin beschäftigt sich mit historischer Alltags- und Gebrauchsliteratur. Das allein ist nicht ungewöhnlich. Es geht um die Art und Weise, wie die 31-Jährige diese Texte untersucht. „Ich bin gerade dabei, ein Losbuch digital zu edieren“, sagt die Juniorprofessorin für Digital Humanities unter besonderer Berücksichtigung digitaler Editionen und ergänzt: „Das hat bislang noch niemand versucht.“
Losbücher sind Texte, die man im Mittelalter aber auch schon in der Antike genutzt hat, um die Zukunft vorherzusehen. Sie sind sehr interaktiv. Wer im Text vorankommen will, um beispielsweise eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob der Zeitpunkt für eine Reise günstig ist, muss einen Losmechanismus anwenden, zum Beispiel würfeln oder Karten legen. Während bei analogen Editionen vor allem der Text, vielleicht noch die Bilder im Fokus stehen, kann eine digitale Edition laut Elisa Cugliana auch den interaktiven, spielerischen Charakter dieses besonderen Genres transportieren. Fast wie in einem Computerspiel durchlaufen die Nutzerinnen und Nutzer verschiedene Stationen. Sie treffen auf Könige und Propheten und müssen Aufgaben erfüllen.
Am Gymnasium lernte sie Deutsch und verliebte sich in die Sprache
Die Juniorprofessorin verspricht sich von der digitalen Edition des Losbuchs aber mehr. Sie hofft, dass durch die Datenauswertung, Muster erkennbar werden. Wie viele und welche Antworten gibt es für eine einzelne Frage in den verschiedenen Versionen des Textes, wie wurden die „Lesepfade“ von den Kopisten in der Zeit verändert und welcher König taucht auf dem Weg zu dieser oder jener Antwort am häufigsten auf. Es sind die Verbindungen zwischen den Daten, die Elisa Cugliana faszinieren und bei deren Auswertung das menschliche Gehirn im Unterschied zum Computer an seine Grenzen stößt.
Dass sie eine Affinität zur Informatik hat, wusste die Philologin schon mit 10 Jahren. Damals hatte sie das Fach an der Mittelschule. Trotzdem folgte sie zunächst einer anderen Leidenschaft, den Sprachen, und zwar den germanischen. Am Gymnasium lernte sie Deutsch. „Ich habe mich in die Sprache verliebt“, erzählt die Italienerin. Später studierte sie an der Universität Venedig Linguistik und die Philologie der germanischen Sprachen.
Die Informatik kehrte erst am Ende ihres Studiums in ihr Leben zurück. Im Master belegte sie ihren ersten Digital Humanities-Kurs. „Von da an wollte ich nichts anderes mehr machen“, betont die Nachwuchswissenschaftlerin. Sie richtete ihre Promotion entsprechend aus und erstellte eine digitale Edition einer mittelalterlichen deutschen Übersetzung von Marco Polos Reisebericht.
Ursprünglich wollte sie drei Monate an der Universität zu Köln bleiben
Nach Köln kam Elisa Cugliana erstmals 2018. Sie besuchte ihre erste Konferenz für Digital Humanities im deutschsprachigen Raum. Es war Februar. „Obwohl ich noch nie in meinem Leben so gefroren habe, fand ich die Stadt sehr schön“, schwärmt die Philologin, die in diesem Moment den Entschluss fasste, hierher zurückzukehren. Nur wenige Monate später, im September 2018, setzte sie den Entschluss in die Tat um.
Ursprünglich wollte die Nachwuchswissenschaftlerin drei Monate an der Universität zu Köln bleiben. Doch dann erhielt sie das Angebot, ihre Promotion in einer Cotutelle zwischen den Universitäten Köln und Venedig umzusetzen. „Das bedeutet, dass ich meinen Abschluss von beiden Hochschulen erhalten habe“, erklärt die 31-Jährige und ergänzt: „Dafür musste ich eineinhalb Jahre in Köln bleiben.“ Als sie im Februar 2022 ihre Dissertation mit „summa cum laude“ abschloss, öffnete sich die nächste Tür. Am 1. März trat sie ihre Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Cologne Center for eHumanities (CCeH) an, auf die jetzt die Juniorprofessur folgte.
Elisa Cugliana macht keinen Hehl daraus, wie sehr sie sich auf die neue Herausforderung freut. Die Juniorprofessur bietet ihr die Chance, ihre beiden großen wissenschaftlichen Leidenschaften, die germanischen Sprachen und die Informatik, miteinander zu vereinen. Dass sich diese Chance auch noch in Köln für sie bietet, freut sie besonders. Sie mag die Stadt. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als bei ihrem ersten Besuch 2018. Schließlich hat sie hier inzwischen ihren Mann kennengelernt.
Weitere Informationen
Koordinierungsstelle Digital Humanities
Fachlich angebunden ist die neue Juniorprofessur für Digital Humanities unter besonderer Berücksichtigung digitaler Editionen bei der Koordinierungsstelle Digital Humanities. Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste hat die Koordinierungsstelle 2015 gemeinsam mit der Universität zu Köln geschaffen. Sie ist am Cologne Center for eHumanities (CCeH) der Universität zu Köln angesiedelt und unterstützt Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler aus NRW, Projekte mit digitaler Komponente im Akademienprogramm, dem gemeinsamen Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien, zu beantragen und erfolgreich umzusetzen.