Neu in der Akademie: Prof. Dr. Stephan Lang (Klasse für Naturwissenschaften und Medizin)

Wer denkt beim Stichwort „Hightech-Medizin“ als erstes an die Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde? Wohl nicht allzu viele. Dabei kommt es gerade hier auf Präzision an. Im Kampf gegen den Krebs geht das Team um Prof. Dr. Stephan Lang immer raffinierter vor.

Porträtfoto Prof. Dr. Stephan Lang
Porträtfoto Prof. Dr. Stephan Lang
Porträtfoto Prof. Dr. Stephan Lang

Modernste Kameras, KI-basierte Software und Mixed-Reality- Brillen: mehr Hightech als im OP-Zentrum der HNO-Medizin am Universitätsklinikum Essen geht kaum. Hier operiert Prof. Dr. Stephan Lang. Fotos: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste / Barbara Frommann 2023

Ein Blick ins Körperinnere, genauer: die Nasennebenhöhlen und Schädelbasis, eine nicht einfach zugängliche, sensible Region voll zarter Nervenbahnen und lebenswichtiger Blutgefäße. Prof. Dr. Stephan Lang demonstriert dort die Entfernung eines Tumors, möglichst schonend, ohne gesundes Gewebe zu schädigen.

Das Live-Bild der endoskopischen Kamera reicht dafür allein nicht aus. Riesige Monitore zeigen detaillierte Auf-nahmen aus der Computertomographie. Vor dem Eingriff hat das OP-Team mit einer KI-basierten Software schon eine dreidimensionale Grafik des Tumors erstellt, ihn mit Mixed-Reality-Brillen von allen Seiten betrachtet und jeden Schritt der OP geplant. Operiert wird minimal-invasiv durch die Nase.

Mehr Hightech als in diesem OP-Zentrum geht kaum. Es ist der ganze Stolz der HNO-Medizin am Universitätsklinikum Essen, seit 2021 in Betrieb als Teil des international vielbeachteten Smart Hospitals. Acht Jahre hatte es gedauert, bis der Bau vollendet und alle digitalen OP-Systeme perfekt vernetzt waren. „Da steckt viel persönliches Herzblut darin und die Motivation, das Beste schaffen zu wollen“, sagt der Klinikdirektor, der für seinen Fachbereich die Feder geführt hat.

Im Kampf gegen Krebs werden nicht nur Operationen immer zielgenauer. „Die Zukunft gehört der Präzisionsonkologie mit ganzheitlichen, multimodalen Konzepten“, so Stephan Lang. Neben den chirurgischen Eingriffen gehören dazu etwa Bestrahlungen, die immer feiner abgestuft werden. Hinzu kommen neue Immuntherapien, die nach einer individuellen Diagnostik die Schwachstellen der Tumorzellen anvisieren.

„Ich denke, dass wir hier einen revolutionären Prozess erleben“, prophezeit der Mediziner, und nennt ein Beispiel aus eigener Forschung: „Wir setzen aktuell im Rahmen einer Studie präoperativ sogenannte Checkpoint-Inhibitoren ein, ein Immuntherapeutikum. Schon nach einmaliger Gabe haben wir in Einzelfällen beobachtet, dass Tumoren und Metastasen deutlich kleiner werden. In Zukunft könnte diese Strategie Chirurgie und Bestrahlung ergänzen, aber es ist noch viel Forschung nötig.“

Was macht diesen Ansatz so anspruchsvoll? „Es gibt keine einzigartigen Antigene, die nur auf den Tumoren vorhanden sind; auch die gesunde Schleimhaut trägt solche Strukturen, was tumorspezifische Immuntherapien erschwert. Gleichwohl sind die Entwicklungen der vergangenen Jahre vielversprechend.“

Zur Person
Prof. Dr. Stephan Lang, geboren 1966, ist seit 2006 Direktor der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie am Universitätsklinikum Essen. In Forschung und Entwicklung beschäftigt sich der Mediziner unter anderem mit Tumor-immunologie und Chirurgie-Robotik. Lang ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und aktueller Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Bonn.