NFDIText+: Forschungsergebnisse langfristig nutzbar machen
Herr Speer, worum geht es bei der NFDI, und speziell bei Text+?
Speer: Nationale Forschungsdateninfrastruktur, kurz NFDI, klingt erst mal gewaltig – und ist es auch. Ähnlich wie beispielsweise bei der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt geht es darum, möglichst viele Daten für die Wissenschaft zu erfassen, sichern und für nächste Generationen von Forschenden zu erhalten. Wir haben jetzt die einzigartige Chance, unser Wissen und das der Vergangenheit in die digitale Zukunft zu retten. Es geht darum, die Forschungsdaten systematisch zu erschließen, dauerhaft zugänglich zu machen sowie national und international zu vernetzen. Dabei kommt den Akademien als den traditionellen Orten geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Langzeitforschung eine besondere Verantwortung zu. Aber natürlich ist auch klar, ein solches Vorhaben kann keine Einrichtung alleine stemmen. Ziel ist es, arbeitsteilig vorzugehen und entsprechend der fachlichen Stärken Konsortien aufzubauen. Eines dieser Konsortien ist Text+. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Aufbau einer auf Sprach- und Textdaten ausgerichteten Forschungsdateninfrastruktur.
Was kann die Akademie dazu beitragen?
Löwer: Gerade die Akademie in Düsseldorf hat eine jahrzehntelange Tradition in der Begleitung von geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Forschungsvorhaben der Grundlagenforschung. So ist ein erheblicher Fundus an Wissen und Daten entstanden – auf dem Niveau von internationaler Spitzenforschung. Die an den Universitäten beheimateten Forschungsvorhaben im Akademienprogramm – in Nordrhein-Westfalen sind es derzeit 13 – zeichnen die großen Linien nach, die vom Erbe naher und ferner Kulturen bis in die Gegenwart führen. Schon heute ist allen Vorhaben eine starke digitale Komponente eigen. Um bedeutende Quellen und Zeugnisse für die Forschung zu bewahren, entwickeln Akademieprojekte neuartige Online-Archive und Softwarelösungen. Mit Text+ wollen wir einen Beitrag für die textbasierten Wissenschaften leisten, diese Daten auch langfristig zu sichern und sie vor allem leichter für Forscherinnen und Forscher weltweite auffindbar zu machen. Damit ist Text+ – wenn Sie so wollen - ein weiterer zentraler Baustein zur Sicherung unseres kulturellen Erbes. Eines möchte ich aber ganz deutlich sagen: Ohne das kundige Team um Herrn Professor Speer an der Universität Köln, das die Akademie seit Jahren zu Fragen der Digital Humanities berät und tatkräftig unterstützt und dies, wie der Wissenschaftsrat erst jüngst betont hat, überaus erfolgreich und modellhaft in der Akademienlandschaft, hätten wir uns dieses zentrale Vorhaben nicht zugetraut. Umso mehr freuen wir uns jetzt über den Erfolg.
Sie waren über viele Jahre im Ombudsgremium für wissenschaftliche Integrität der DFG. Versprechen Sie sich hier von Text+ und der NFDI insgesamt neue Impulse?
Löwer: Sobald Forschungsdaten so gespeichert werden können, dass sie ohne großen Aufwand von anderen Forscherinnen und Forschern überprüft und vor allem auch nachgenutzt werden können, ist das ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz: Wenn Forschungsdaten analysiert und mit eigenen Ergebnissen verglichen oder verknüpft werden können, fallen Fehler – egal ob beabsichtigt oder nicht – einfacher auf. Was aus meiner Sicht noch entscheidender ist: Es werden sich zwangläufig neue Forschungsfragen und neue Antworten ergeben. Und damit bieten sich gerade auch für junge Forscherinnen und Forscher noch einmal ganz neue Möglichkeiten, sich mit exzellenter Wissenschaft einen Namen zu machen.
Wann können wir erste Ergebnisse sehen? Wie geht es jetzt konkret weiter?
Speer: Nach mehr als einem Jahr harter Arbeit an dem Antrag freuen wir uns über den Erfolg. Das war nicht planbar und erst recht keine Selbstläufer, denn das Förderprogramm ist hoch kompetitiv. Bevor wir erneut die Ärmel hochkrempeln, werden wir also miteinander feiern. Der Antrag ist übrigens in der Pandemie ohne jedes Präsenzmeeting allein im digitalen Raum entstanden. Auf diese Weise haben wir schon die künftige Zusammenarbeit in einem großen Konsortium erprobt, das sich als ein föderiertes Netzwerk versteht, das auf neue pragmatische Arbeitsformate angewiesen ist, um möglichst viele Forscherinnen und Forscher zu erreichen. In Text+ ist Nordrhein-Westfalen für die Editionsdaten verantwortlich. Neben den Editionen konzentrieren wir uns bei Text+ auf digitale Sammlungen und lexikalische Ressourcen. Dieses ist von hoher Relevanz für alle sprach- und textbasierten Disziplinen wie Sprach- und Literaturwissenschaften, Philosophie, Klassische Philologie, Anthropologie, außereuropäische Kulturen und Sprachen, aber auch für sprach- und textbasierte Forschung in den Sozial-, Politik-, oder Geschichtswissenschaften. Diese Daten sind grundlegend für die Hermeneutik, Paläographie, Editionsphilologie und Lexikographie sowie für die Computerphilologie und -linguistik. Wer in fünf bis zehn Jahren geisteswissenschaftliche Forschung betreibt, wird von seinem Arbeitsplatzrechner aus schneller auf einen deutlich umfangreicheren Datenschatz zurückgreifen können, als ich es lange Zeit gewohnt war. Zukünftig werden wir Texte mit Informationen anreichern und dabei auf Lexika und Wörterbücher zurückgreifen können – in beinahe jeder bekannten Sprache. Texte bewegen sich durch Sprachen und Kulturen, Editionen zeichnen diese Wege nach, sie stiften Verstehen zwischen Kulturen und Sprachen, Religionen und Epochen. Zukünftig soll es uns gelingen, diese bedeutenden Ressourcen schneller und besser zu nutzen: frei zugänglich und nachhaltig. Das sind die Kernaufgaben unseres Konsortiums.
Bund und Länder fördern bis 2028 den Aufbau von bundesweit 30 Konsortien mit jährlich bis zu 70 Millionen Euro für direkte Projektkosten. Die NFDI-Initiative soll dazu beitragen, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken.