Studienabbrüche früh und präzise vorhersagen – und dann?

Prof. Dr. Kerstin Schneider, Bergische Universität Wuppertal

Studienabbrüche sind mit erheblichen Kosten für Studierende, Hochschulen und
die Gesellschaft verbunden. Ein Studienabbruch kann als Fehlinvestition sowie als persönliches Scheitern interpretiert werden. Daher entwickeln Hochschulen verstärkt Maßnahmen, um Studienabbrüche zu verhindern oder zu beschleunigen. Da bekannt ist, dass das erste Studienjahr einen besonderen Einfluss auf den akademischen Werdegang hat, sollte die Abbruchneigung früh erkannt werden, um Studierenden effektive und effiziente Unterstützung anbieten zu können. Die internationale Literatur findet jedoch häufig nur geringe Effekte von Unterstützungsmaßnahmen und effektive Interventionen wie Mentoring-Programme sind teuer. Zudem muss die Übertragbarkeit der Ergebnisse internationaler Studien auf den deutschen Hochschulkontext überprüft werden.

Die direkte Ansprache abbruchgefährdeter Studierender durch die Hochschulen ist
in Deutschland nicht die Regel, auch weil an Hochschulen oft kein konsequentes Studierenden-Monitoring eingesetzt wird. Das gilt auch für NRW. Damit verzichten Hochschulen aber auf wertvolles Steuerungspotential. Die hier vorgestellte Studie nutzt die administrativen Studierendendaten nach § 3 HStatG einer mittelgroßen Universität in NRW und fragt,

a. wie administrative Studierendendaten mit Methoden des maschinellen Lernens für frühe und genaue Prognosen genutzt werden können,
b. ob aussagekräftige Prognosen bereits in den ersten Monaten des Studiums auch ohne Leistungsdaten des ersten Semesters möglich sind,
c. ob Studienabbrecher eine heterogene Gruppe sind und wie Cluster von Studierenden gebildet werden können,
d. wie (abbruchgefährdete) Studierende erfolgreich adressiert werden können und ob Interventionen heterogene Effekte aufweisen,
e. ob sich aus den Ergebnissen weitere Forschungsfragen und Implikationen für die Bildungs- und Hochschulpolitik, aber auch für die Steuerung in den Hochschulen ableiten lassen.

An der Universität Bielefeld nahm Kerstin Schneider 1984 das Studium der Geschichtswissenschaft auf und studierte ab 1986 zusätzlich Volkswirtschaftslehre. Unterstützt durch ein Stipendium des DAAD studierte sie 1989 für ein Jahr an der University of Georgia, USA, im Master Programm. Ihren MA in Economics schloss sie dort 1990 ab und bekam daraufhin ein Angebot, in das Ph.D.-Programm zu wechseln.

Nach Abschluss der Promotion zum Thema „Unilateral Environmental Policy and Inter- national Competition“ nahm Kerstin Schneider 1994 die Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Dortmund am Lehrstuhl für Öffentliche Finanzen auf. Dort erstellte sie eine Habilitationsschrift zum Thema „Fiscal Policy and the Labor Market – Theory and Empirical Evidence”. Die Habilitation schloss sie 2001 ab. 2004 erhielt sie einen Ruf an die Bergische Universität Wuppertal auf den Lehrstuhl Finanzwissenschaft und Steuerlehre. Mit dem Schwerpunkt im Bereich der Bildungsökonomischen Forschung hat sie 2014 das Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung (WIB) gegründet. Seit 2024 ist sie Mitglied im erweiterten Vorstand des RWI – Leibniz- Institut für Wirtschaftsforschung und unterstütze das Institut wissenschaftlich in den Themen Arbeitsmarkt, Bevölkerung und Bildung.

Seit 2021 ist sie Vorsitzende des Bildungsökonomischen Ausschusses beim Verein für Socialpolitik, langjähriges Mitglied in der Ethikkommission und amtierende Vertrauensperson. Im Rat für Sozial und Wirtschaftsdaten (RatSWD) seit 2020 gewähltes Mitglied und zudem stellvertretende Vorsitzende. Auf europäischer Ebene arbeitet Kerstin Schneider seit 2024 in der ESGAB, dem wissenschaftlichen Beirat des Europäischen Statistischen Systems.