Steinerne Zeugen digital

Über 2.000 jüdische Friedhöfe sind in Deutschland erhalten. Was verraten sie über das jüdische Leben in der Diaspora? Ein Kooperationsprojekt des Steinheim-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie der Universität Bamberg dokumentiert wichtige Zeugnisse ab der Frühen Neuzeit – auch um dem Verfall zuvorzukommen.

Forschende aus Nordrhein-Westfalen und Bayern dokumentieren im Rahmen des Großprojektes „Steinerne Zeugen digital – Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ ausgewählte jüdische Friedhöfe digital. 35 Friedhöfe, 33.600 Grabmale und über 19.000 Inschriften stehen auf der To-do-Liste. Neben Inschriften erfasst das Team die baulichen Merkmale wie das Material, die Formensprache, den Erhaltungszustand und die räumliche Anordnung der Grabmale..

Beispiel für gelungene Koexistenz

Kein anderes europäisches Land besitzt – trotz großer Verluste – eine vergleichbar alte, reiche und vielschichtige Überlieferung. Als historische Zeugen besitzen die letzten Ruhestätten jüdischer Gemeinden Seltenheitswert. Die meisten anderen Schriftquellen und Bauten gingen verloren, wann immer Jüdinnen und Juden vertrieben und verfolgt wurden. Für die Forschung haben die alten Friedhöfe eine aktuelle, gesellschaftspolitische Strahlkraft. An diesen Orten lasse sich eine andere deutsch-jüdische Geschichte entdecken, mit Denkanstößen auch für heutige Debatten um Migration und Integration. Die Friedhöfe zählen zu den ältesten Zeugnissen der Sepulkralkultur in Deutschland. Sie sind religiös-kulturelle Orte der Erinnerung und Ausdruck individueller und korporativer jüdischer Identität.

Interdisziplinärer Forschungsansatz

Die interdisziplinäre Grundlage des auf 24 Jahre angelegten Projekts, an dem neben der Judaistik und der Bauforschung auch die digitalen Denkmaltechnologien wesentlichen Anteil haben, ermöglicht neue Forschungsfragen und Perspektiven auf das jüdische Leben jenseits der großen Zentren. Trotz und wegen des Verlustes vieler schriftlicher und baulicher Belege ist es das Ziel, die letzten Ruhestätten der Jüdinnen und Juden als Zeugen für ein Jahrhunderte währendes Neben- und Miteinander von Mehrheit und Minderheit zu erschließen.

Kontakt

Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste (Federführung)
Palmenstraße 16, 40217 Düsseldorf (praesidialbuero(at)awk.nrw.de)

Bayerische Akademie der Wissenschaften
Alfons-Goppel-Straße 11, 80539 München

Projekt auf einen Blick

Beginn der Förderung 2023
Projektleitung Prof. Dr. Lucia Raspe
Prof. Dr. Susanne Talabardon
Prof. Dr. Mona Hess
Standort

Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte / Universität Duisburg-Essen (federführend)
Institut für Orientalistik und Kompetenzzentrum Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien / Otto-Friedrich-Universität Bamberg