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Neu in der Akademie: Prof. Dr. Gerd Blum (Klasse der Künste)

2023 hat die Akademie 14 neue Mitglieder aufgenommen. Wir stellen diese Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kunst vor: Die Kunstgeschichte betrachtet ein Werk als Zusammenspiel von Artefakt und historischen Interpretationen. Was aber, wenn sich etablierte Deutungen als unzutreffend erweisen? Anhand der weltberühmten Moses-Statue in Rom belegt der Kunsthistoriker Prof. Dr. Gerd Blum, warum präzise Beschreibung und Quellenarbeit heute wichtiger sind denn je.

Porträtfoto Gerd Blum
Porträtfoto Gerd Blum
Porträtfoto Gerd Blum

Jedes Detail ist wichtig und egal, wie klug und berühmt die Personen waren, die ein Kunstwerk interpretiert haben, selbst noch einmal genau hinzuschauen, lohnt sich laut Prof. Dr. Gerd Blum immer. Fotos: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste / Barbara Frommann 2023

Für sein aktuelles Projekt hat sich Prof. Dr. Gerd Blum große Namen vorgenommen – Goethe, Mann, Freud. Sie alle haben eine der bedeutendsten Skulpturen der Renaissance so besprochen, dass Michelangelos Moses als Abbild idealer Menschlichkeit, sogar als vermeintlich „übermenschlicher“ Gesetzgeber „neuer Werthe“ kanonisch wurde. Gerd Blum, Kunsthistoriker an der Kunstakademie Münster und der Universität Wien, sagt: „Ich glaube nicht, dass die Deutung zutrifft, Michelangelo habe ein überkonfessionelles Meisterwerk schaffen wollen. Die Quellenarbeit legt Fehlinterpretationen offen, die sowohl korrigiert als auch gewürdigt werden müssen.“

Zusammen mit internationalen Kolleginnen und Kollegen arbeitet Gerd Blum an einem Sammelband mit aktualisierten Interpretationen. Rund 500 Jahre nach der folgenreichsten Deutung des Moses durch den Gründer der Kunstgeschichte, Giorgio Vasari, wird dort zu lesen sein, warum sich in der Statue nicht nur das Ideal des Renaissance-Humanismus abbildet, sondern auch der Antijudaismus von Kirche und Laien in Michelangelos Umfeld.

Gerd Blum verweist dabei auf zwei Details: Dass Michelangelos Moses die Tafeln der Gebote falsch herum halte, und dass sie erstmals in einem Bild von Mose als geschlossen dargestellt sind. „Beides ist für beinahe 400 Jahre unbeachtet geblieben.“ Michelangelos Statue sei wahrscheinlich als paulinisch inspirierte Darstellung eines Visionärs des christlichen Gottes konzipiert worden, der den Stein der jüdischen Gesetze überwunden und in der lebendigen Schau transzendiert habe – ein konvertierter Mose, zu dem die Juden Roms laut Vasaris übertriebenem Bericht geradezu gepilgert sein sollen und der im Kontext der Konversionsbestrebungen des Papsttums aufgestellt wurde.

Mehr denn je sei daher die Aufgabe der Kunstgeschichte, universalistische Deutungen zu überprüfen und für eine kritische Auseinandersetzung zu aktualisieren, sagt Gerd Blum. Der Kurzschluss von der gelungenen, eindrucksvollen, mittels genauer Beschreibung zu würdigenden Form auf einen universalen Inhalt des Wahren, Guten und Schönen und auf die Humanität ihrer Autorinnen und Autoren sowie ihrer Auftraggeberinnen und Auftraggeber sei zu vermeiden.

Den künstlerischen und kunsthistorischen Nachwuchs in Münster und Wien hält Gerd Blum ebenso zur präzisen Betrachtung an, und dazu, in ihren Interpretationen zwischen Quellen, gesichertem Wissen zu Anmutungen und Eindrücken zu unterscheiden. „Und wissen meint eben nicht glauben, annehmen oder vermuten.“

Zur Person
Prof. Dr. Gerd Blum, 1965 in Singen (Hohentwiel) geboren, ist Professor für Kunstgeschichte an der Kunstakademie Münster und Honorarprofessor am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte: Architektur, Kunst und Kunstgeschichte der italienischen Renaissance sowie Malerei des frühen Modernismus und der Gegenwart. Seine Arbeiten führten zu internationalen Stipendien, Forschungsaufenthalten und Lehrtätigkeiten. 2019 erschien sein erster Roman: „Die Kunst der Flucht. Merkel“.