„I‘m sure everybody‘s doing their best“ – Interview mit der Künstlerin Ale Bachlechner zu ihrem Abschied vom Jungen Kolleg

Ale Bachlechner bearbeitet in ihrer Video- und Performancekunst Fragen der realen und medialen Inszenierung von Individuum und Gesellschaft. Zum Jahresende nimmt sie Abschied vom Jungen Kolleg, der Nachwuchsorganisation der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Von 2018 bis 2021 wirkte die Künstlerin an Projekten der Gruppe mit.

Portraitfoto Ale Bachlechner

Ale Bachlechner, Foto: Bettina Engel-Albustin

Ale Bachlechners Ausstand verläuft stiller als geplant. Eigentlich sollte im ersten Quartal 2022 ihre Ausstellung „I‘m sure everybody‘s doing their best“ in der Akademie stattfinden. Pandemiebedingt muss dieses Ereignis leider ausfallen. Kein Ersatz, aber ein kleiner Trost für Kunstinteressierte: Die Publikation zur Ausstellung wird voraussichtlich im Frühjahr 2022 erscheinen und einen ausführlichen Einblick in die Arbeit Ale Bachlechners geben. Neben zahlreichen Abbildungen und Werkbeschreibungen enthält der Band hochkarätige Beiträge: Die Autorin Anke Stelling, der Künstler Phil Collins, die Künstlerin und Performerin Dr. Sharon Smith, die Kunstwissenschaftlerin Dr. Lilian Haberer, die Künstlerin und Kuratorin Kerstin Honeit sowie die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Dr. Ellen Maria Wagner setzen sich aus ihren jeweiligen Perspektiven mit Ale Bachlechners Werk auseinander. 

Im Interview zieht die Künstlerin ein Resümee ihrer Zeit als Jungkollegiatin.

Frage: Frau Bachlechner, Sie waren erst die zweite Künstlerin, die ins Junge Kolleg der Akademie aufgenommen wurde. Hatten Sie einen guten Start?

Ale Bachlechner: Anfangs habe ich mich ein bisschen als Sonderfall erlebt. Aber das Interesse am gegenseitigen Austausch mit den Kollegiatinnen und Kollegiaten war immer sehr hoch, persönliche Begegnungen und gemeinsame Projekte waren spannend.

Wie hat sich der interdisziplinäre Austausch aus Ihrer Sicht entwickelt?

Inzwischen gibt es schon vier Künstlerinnen im Jungen Kolleg und auch die Formate der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Kunst sind im Fluss und entwickeln sich weiter, so dass nicht nur künstlerische Beiträge in wissenschaftlichen Formaten denkbar werden, sondern auch wissenschaftliche Beiträge in künstlerischen Formaten und vielleicht auch neue, hybride Formen dazwischen.

Hat sich das konkret in Ihrer Arbeit niedergeschlagen?

Ja, die Arbeitsgruppe „Netzwerk“ war für mich beispielsweise der Anlass, für einen Sammelband einen Text für drei Sprecherinnen über Networking zu verfassen, der dann in Folge das Skript für meine Videoarbeit „Like You Really Mean It“ wurde. Die Mitgliedschaft im Jungen Kolleg hat mir außergewöhnliche Möglichkeiten eröffnet. Einerseits habe ich finanzielle und strukturelle Unabhängigkeit bekommen, über einen längeren Zeitraum an meinen Themen und Projekten zu recherchieren, meine eigene Praxis zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Andererseits konnte ich ganz konkrete Arbeiten umsetzen, teilweise inspiriert von der Akademie.

Teile Ihrer Videoserie „Studio Hallo“ entstanden im Diskussionssaal und dem Veranstaltungssaal der Akademie. Was war die Idee dahinter?

Es ging mir darum, diese Architektur, die ein Ideal vom Dialog auf Augenhöhe verkörpert – wie es sich auch in den Sälen politischer Entscheidungsgremien häufig wiederfindet – danach zu befragen, welche Hoffnungen sich damit verknüpfen. Und wo die Limitationen liegen.

Unterscheidet sich die Akademie von anderen Orten, an denen Sie künstlerisch tätig waren?

Ich hatte das Glück, schon an sehr unterschiedlichen Orten zu arbeiten und aufzutreten, in wissenschaftlichen wie in künstlerischen Kontexten, in der Öffentlichkeit, einem Bus, einer Sporthalle, einer Privatwohnung … Jeder Ort hat seine Besonderheiten. Ich versuche diese immer miteinzubeziehen, sichtbar zu machen, wie gewisse Strukturen gewisse Erwartungen und Realitäten miterzeugen, und gleichzeitig diese Erwartungen ein wenig zu unterlaufen. In der Akademie habe ich mich daher auch mit Fragen von Exzellenz, Geschlechterverhältnissen, Autorität und der Vortragssituation allgemein beschäftigt.

Die geplante Einzelausstellung zu Ihrem Abschied fällt nun leider aus. Was entgeht Ihnen dadurch?

Es wäre eine Gelegenheit gewesen, mehrere Arbeiten aus einem längeren Zeitraum zueinander in Beziehung zu setzen. Video und Performance auszustellen hat besondere technische und räumliche Herausforderungen und ich hätte gerne versucht, in der Akademie eine spannende und lustvolle Ausstellungssituation zu realisieren.

Hat sich die Arbeit an der Ausstellung trotzdem gelohnt?

Es erscheint eine umfangreiche begleitende Publikation mit Fachbeiträgen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit meiner Arbeit auseinandersetzen und sie kontextualisieren. Die Akademie ermöglicht mir damit einen wichtigen weiteren Schritt der Professionalisierung, und ich erlebe das als sehr nachhaltige Förderung.

Was wünschen Sie sich für Kollegiatinnen und Kollegiaten, die Ihnen nachfolgen?

Mehr Diversität. Die Interdisziplinarität und die Erweiterung der wissenschaftlichen Klassen der Akademie um eine Klasse der Künste sind gute Ausgangspositionen. Aber zum Beispiel in Hinsicht auf soziale Klasse ist die Akademie und ihr Publikum sehr homogen. Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft noch mehr unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen Einzug halten.

Die Publikation „I‘m sure everybody‘s doing their best“ wird voraussichtlich im Frühjahr 2022 im DISTANZ-Verlag erscheinen