Die wunderbare Kunst des molekularen Designs von Leuchtstoffen für OLEDs, Sensorik und Quanten-IT

Prof. Dr. Andreas Steffen, TU Dortmund

Der enorme technologische Fortschritt und heutige Lebensstandard unserer Gesellschaft ist wesentlich mitgeprägt durch die Entwicklungen in der Chemie hinsichtlich des Verständnisses von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen auf der molekularen Ebene. Dies beinhaltet sowohl die Erforschung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe, Materialien für die Energiewende oder katalytischer Prozesse zur selektiven und effizienten Synthese. Aufgrund ihrer kontrollierbaren Synthese, einfachen und energieeffizienten Prozessierbarkeit, partiellen Kontrolle der photonischen Eigenschaften und Anwendbarkeit bei Raumtemperatur werden auch molekulare photonische Materialien mittlerweile kommerziell in organischen Licht-emittierenden Dioden (OLEDs), der photodynamischen Therapie und als Photokatalysatoren angewendet. Die Übersetzung der gewünschten Eigenschaften in eine molekulare Struktur stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar aufgrund der Komplexität und dem daraus resultierenden unzureichenden Verständnis der Licht-Materie-Wechselwirkungen. Somit scheinen natürliche Limitierungen bezüglich der Anwendbarkeit von Luminophoren in photonischen Zukunftstechnologien auferlegt zu sein.

Diese Barrieren zu durchbrechen ist eine der aktuellen Aufgaben in der Chemie auf internationaler Ebene, um zu neuen optischen Technologien zu gelangen, wie z.B. der sicheren Datenübertragung, Quanten-IT-Netzwerken, Fälschungssicherheit im Lebensmittelbereich, Sensorik, oder Device-Technologien. In diesem Vortrag werden unsere interdisziplinären Ansätze vorgestellt, die zu einem holistischen Verständnis der molekularen Photophysik beitragen und Zugang zu neuen Eigenschaften erlauben. Konkret werden die Konzepte anhand der durch kreatives Moleküldesign gezielt erreichten Emissionswellenlänge, Strahlungskonstante, chiroptischen Eigenschaften sowie einer Stimulus-Responsivität demonstriert zusammen mit technologischen Proof-of-Concept-Anwendungen. 

Prof. Dr. Andreas Steffen hat von 1998 bis 2004 an der Universität Bielefeld und der UBC Vancouver (Kanada) Diplom-Chemie studiert. Seine Promotionsarbeiten an der Universität Bielefeld und der Humboldt-Universität Berlin im Bereich der metallorganischen Fluorchemie wurden im Jahr 2007 erfolgreich abgeschlossen. Während seiner durch den DAAD und ein Marie-Curie-Stipendium der EU geförderten 2,5-jährigen Postdoc-Zeit an der Durham University (UK) und am CNRS Rennes (Frankreich) befasste er sich mit der Synthese, Spektroskopie und Theorie von fluoreszierenden organischen und metallorganischen Molekülen. Seine eigenständigen Arbeiten zu lumineszierenden und photokatalytisch aktiven Kupferkomplexen begann er 2010 an der Universität Münster und führte die Habilitationsarbeiten ab 2011 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Emil-Fischer-Fellow weiter. Die Habilitation erfolgte 2017 und im September 2018 die Berufung auf den Lehrstuhl für Anorganische Chemie der TU Dortmund.

Die Beiträge von Prof. Steffen zum Verständnis von Licht-Materie-Wechselwirkungen und der Aufklärung der Lumineszenzmechanismen wurden mit dem Preis der Dr. Otto Röhm Gedächtnisstiftung (2016), dem Förderpreis Chemie der Keck-Köppe-Stiftung (2017), sowie als Preisträger der Momentum-Initiative der Volkswagen-Stiftung (2023) ausgezeichnet. Auch sein Engagement in der Lehre wurde mit dem Lehrpreis der TU Dortmund (2021) geehrt und er ist Mitinitiator und seit 2017 Mitglied des Steering Committees des DFG-Schwerpunktprogramms SPP 2102 „Light controlled reactivity of metal complexes“, Ortsverbandsvorsitzender der Gesellschaft Deutscher Chemiker (2024), sowie seit 2024 Mitglied des Senats der TU Dortmund.

Der Oscar für den besten Nebendarsteller geht an: Wasser

Prof. Dr. Martina Havenith, Ruhr-Universität Bochum

In den Biowissenschaften ist Wasser das allgegenwärtigste Lösungsmittel und wird manchmal auch als "Matrix des Lebens" bezeichnet. Nahezu alle biologischen Prozesse finden im flüssigen Zustand statt. Dennoch standen Proteine, Nukleinsäuren usw. bisher im Fokus. Die heute verfügbaren hochauflösenden Strukturen dieser Protagonisten verändern unser Verständnis der Biologie. Doch es stellt sich heraus, dass dies nicht direkt auf Eigenschaften oder Funktionen schließen lässt. Was fehlt also? Es ist das solvatisierende Wasser, eine der treibenden Kräfte, die bislang weitgehend vernachlässigt wurde. Immer mehr Beweise deuten darauf hin, dass Wasser nicht nur Zuschauer ist, sondern eine aktive Rolle spielt. Wasser ist nicht nur die Menschenmenge, die den Filmstars in der Oscar-Nacht den roten Teppich freimacht, es hat den Preis als bester Nebendarsteller wirklich verdient. Über die traditionelle Sichtweise hinaus werden Lösungsmittel wie Wasser zunehmend als eigenständige Akteure anerkannt. Ich werde zwei Beispiele diskutieren, die die Notwendigkeit verdeutlichen, das Zusammenspiel von Proteinen und Wasser für das Verständnis und die Steuerung wichtiger biologischer Funktionen zu berücksichtigen.
Manche mögen’s kühl: Frostschutzproteine (AFPs) oder eisstrukturierende Proteine, die von bestimmten Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien produziert werden, ermöglichen deren Überleben bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt von Wasser. Diese in arktischen Fischen vorkommenden Super-Frostschutzmittel binden an kleine Eiskristalle und hemmen das Wachstum und die Rekristallisation von Eisnanokristallen, die sonst tödlich wären.
Manche mögen’s eng: Darüber hinaus können lokale Lösungsmittelbedingungen die Bildung von Proteinkondensaten oder proteinangereicherten Tröpfchen beeinflussen. Diese Tröpfchen gelten als lokale Solvatations-Hotspots, die ungünstige Bedingungen schaffen und die Bildung neurotoxischer Aggregate wie Alzheimer oder Creutzfeldt-Jakob auslösen.

Prof. Dr. Martina Havenith studierte Physik bis zum Diplom im Jahr 1987 und promovierte zum Dr. rer. nat. im Jahr 1990 an der Universität Bonn. Von 1990 bis 1998 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. Seit 1998 ist sie Professorin für Physikalische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum.
2011 hat sie erfolgreich den Antrag für den ersten Forschungsbau an der RUB, das Zentrum für molekulare Spektroskopie und Simulation (ZEMOS) initiiert und ist seit der Eröffnung 2016 dessen wissenschaftliche Leiterin. Sie leitet seit 2012 das unter ihrer Ägide erfolgreich eingeworbene Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation (RESOLV). Für ihre Erfolge in der Nachwuchsförderung wurde sie 2021 zum Henriette Herz-Scout der Alexander von Humboldt Stiftung ernannt. Seit 2021 ist sie Direktorin des neuen Forschungszentrums Universitätsallianz Ruhr "Research Center Chemical Sciences and Sustainability". In diesem von der Landesregierung initiierten Programm werden bereits herausragende wissenschaftliche Schwerpunkte mit internationaler Ausstrahlung im Ruhrgebiet durch zusätzliche Forschungsprofessoren weiter verstärkt.
Sie hat neue Infrarot- und Terahertz-Lasertechnologien entwickelt, um grundlegende Fragestellungen der Chemie zu untersuchen. Innerhalb des ERC Advance Grants "THz Calorimetrie" hat sie zeitaufgelöste spektroskopische Methoden entwickelt, die es erlauben, die entscheidende Rolle des Wassers in grundlegenden biologischen Prozessen wie der Bildung von Proteinkondensaten aufzudecken. Ferner untersucht wird die schrittweise Solvatisierung und Aggregation von Molekülclustern, unter Bedingungen wie sie in interstellaren Wolken herrschen. Es werden Moleküle bei 0,37 K in supraflüssigen Helium Nanotröpfchen eingelagert und ihre Struktur anhand von IR-Spektren bestimmt.  Dadurch ist die genaue Charakterisierung der kleinsten Säuretropfen der Welt gelungen.