Urbanismus und Umweltveränderungen im Zentrum des Mongolischen Reiches

Prof. Dr. Jan Bemmann und Prof. Dr. Thomas Litt, beide Universität Bonn

Städte mit einer hohen Bevölkerungskonzentration und Massenproduktion von Gütern werden kaum in Regionen mit einer pastoralnomadischen Wirtschaftsweise erwartet. Die Mongolei gilt in der historisch ausgerichteten Forschung als Paradebeispiel und beliebte Untersuchungsregion für Nomadismus mit seinen regional unterschiedlichen Mobilitätsmustern, Herdenzusammensetzungen und einer spezifischen Sozialstruktur. Städte und ganzjährig bewohnte Siedlungen stoßen selten auf größeres Interesse, obwohl sie wegen der ausgebliebenen modernen Überbauung ideale Ausgangsbedingungen für ihre Erforschung bieten. Bemerkenswerterweise sind sie in ihrem Bestand schicksalhaft mit dem Erfolg der sie gründenden Reiche verknüpft. Zerfällt das Herrschaftssystem, fallen die Städte wüst. Dieser Prozess wiederholt sich im Zuge der jeweiligen Reichsgründungen im ersten nachchristlichen Jahrtausend, weshalb wir von „episodic urbanism“ sprechen. Diese Unterbrechungen, diese Zwischenzeiten ohne Städte geben uns die außergewöhnlich gute Chance, Auswirkungen der neu gegründeten Städte auf die Umwelt zu studieren. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Rolle mögliche Klimaveränderungen bei der Gründung und dem Zerfall der Reiche gespielt haben. Paläobotanische Daten können hierbei helfen, über botanisch-klimatologische Transferfunktionen Parameter des bodennahen Klimazustandes zu rekonstruieren. Ein transdisziplinär ausgerichtetes, von der DFG gefördertes Verbundprojekt widmet sich der Verflechtung von Stadt, Wirtschaft und Umwelt während des Mongolischen Reiches. Erste Resultate und Ideen werden im Rahmen des Vortrages vorgestellt werden.

Prof. Dr. Jan Bemmann studierte Ur- und Frühgeschichte, Mittelalterliche und Neue Geschichte sowie Bodenkunde an den Universitäten Kiel, Saarbrücken und München. Im Februar 1989 wurde er an der Christian-Albrechts-Universität Kiel promoviert. Es schlossen sich ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts und ein Postdoc-Stipendium der DFG an sowie Tätigkeiten in der Bodendenkmalpflege für das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste in Büsum und in dem Landesamt für Archäologie in Sachsen. Von 1994 bis 2004 hatte er eine Assistenten- bzw. Oberassistentenstelle an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena inne und nahm eine Gastprofessur an der Universität in Wien wahr. Zum Wintersemester 2004 / 05 wurde er an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn auf den Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie berufen. Er war Visiting Scholar am Institute for the Study of the Ancient World an der New York University sowie Member des Institute for Advanced Study in Princeton. Er hat Forschungsprojekte in Skandinavien, Mitteldeutschland, im Rheinland und auf der Krim durchgeführt. Er ist Leiter der Mongolisch-Deutschen Karakorum Expedition und Sprecher des Bonn Center for ArchaeoScience, Sprecher der DFG-FOR 5438 „Urban impacts on the Mongolian Plateau – Entanglements of Economy, City, and Environment“. Zur Zeit erforscht er in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Disziplinen römerzeitlichen und hochmittelalterlichen Bergbau bei Bennerscheid im Pleiser Hügelland sowie den Urbanismus auf dem Mongolischen Plateau während des mongolischen Reiches mit seinen Auswirkungen auf die Umwelt.

Prof. Dr. Jan Bemmann ist Leiter des Langzeitforschungsprojekts „Limes und Legion“, welches seit 2020 im Akademienprogramm geförderter wird.

Prof. Dr. Thomas Litt studierte Ur- und Frühgeschichte, Geologie und Botanik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Vor und nach der Promotion 1987 im Fach Quartärgeologie an der Universität Greifswald war er am Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle tätig. Von 1990 bis 1993 arbeitete er als Habilitationsstipendiat am Institut für Geologische Wissenschaften der Universität Halle sowie bis 1994 als wissenschaftlicher Oberassistent am Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig. 1993 erhielt er den Credner-Preis der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Nach Abschluss der Habilitation im Fach Allgemeine Geologie nahm er 1994 einen Ruf auf eine Professur für Paläobotanik an der Universität Bonn an. 2015 erhielt er eine Lady Davis Fellowship verbunden mit einer mehrmonatigen Gastprofessur an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Als Geowissenschaftler mit paläontologischem Schwerpunkt beschäftigt sich Litt mit Fragen der Wechselbeziehung zwischen Geosphäre und Biosphäre in der jüngeren Erdgeschichte. Hierbei nutzt er vor allem durch Bohrungen gewonnene Seesedimente als Archive für die Paläoökologie und Paläoklimatologie. In den letzten Jahren lag der Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeiten auf der Untersuchung langer kontinentaler Sedimentfolgen aus tiefen Seen im Nahen und Mittleren Osten, welche die Vegetations- und Klimageschichte der letzten Jahr- hunderttausende lückenlos erfassen. Er leitete ein multidisziplinäres wissenschaftliches Bohrprogramm in der Türkei (Lake Van Drilling Project PALEOVAN) mit Unterstützung des „International Continental Scientific Drilling Program“ (ICDP). An komplementären Forschungen im Toten Meer in Israel ist er ebenfalls beteiligt (ICDP Dead Sea Deep Drilling Project). Diese Paläoklimaarchive wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 806 „Unser Weg nach Europa: Kultur-Umwelt Interaktion und menschliche Mobilität im späten Quartär“, dessen stellvertretender Sprecher Litt war, detailliert untersucht. Seit 2023 ist er Mitglied der FOR 5438 „Urban impacts on the Mongolian Plateau“.

Prof. Dr. Thomas Litt ist seit 2020 ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.