Die Variabilität des alternden Gehirns dekodiert – der Weg zu individualisierten Präventionsansätzen

Prof. Dr. Dr. Svenja Caspers, Universität Düsseldorf

Das menschliche Gehirn zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aus. Besonders der Alterungsprozess ist durch eine Umorganisation der funktionellen Gehirnnetzwerke gekennzeichnet, um unsere kognitiven Leistungen so lang wie möglich aufrecht zu erhalten. Der Zusammenhang der funktionellen Organisation zu der zugrundeliegenden Struktur und den Verbindungen (Konnektivität) dieser Hirnnetzwerke ist insbesondere im Alterungsprozess noch Gegenstand aktueller Forschung. Neben genetischen Determinanten beeinflussen Faktoren aus der Umwelt, aber auch unser Lebensstil und unser Gesundheitsstatus diese Gehirnnetzwerke und deren Konnektivität auf unterschiedliche Weise und können zu einer beschleunigten Alterung des Gehirns führen. Die Verfügbarkeit von Daten von tausenden bis zehntausenden Personen aus großen bevölkerungsbasierten Studien zur Struktur und Funktionsweise des Gehirns zusammen mit Informationen aus der Lebensumwelt erlauben die Untersuchung dieser Variabilität und die Modellierung der Einflüsse unter Nutzung von Hochleistungsrechensystemen. Moderne Ansätze maschinellen Lernens erlauben hierbei die Identifikation relevanter Muster, um gesunde von erkrankten Personen anhand ihrer Gehirndaten zu unterscheiden, was für den normalen Alterungsprozess aufgrund der hohen Variabilität eine noch größere Herausforderung darstellt. Mit Hilfe neuer Simulationsansätze ist es möglich, die Effekte des Alterungsprozesses des menschlichen Gehirns in Modellen, die die Netzwerkfunktionalität abbilden können, nachzubilden. Das Verständnis der Variabilität zwischen Personen und der im individuellen normalen Alterungsprozess einzelner Personen auftretenden Variabilität können zusammen mit der Simulation wichtige Schritte zur Etablierung geeigneter Früherkennungsmarker, aber auch für die Entwicklung individualisierter Präventions- oder Therapieansätze für mit der Alterung assoziierte neurodegenerative Erkrankungen beitragen.

Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Svenja Caspers hat Medizin an der Universität Düsseldorf studiert und 2007 mit dem Staatsexamen abgeschlossen sowie Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen studiert und 2007 und 2008 mit dem Diplom abgeschlossen. 2008 erlangte sie die medizinische Promotion mit einer Arbeit zum mikrostrukturellen Aufbau des unteren Scheitellappens des menschlichen Gehirns, die als beste Promotion des Jahres der Medizinischen Fakultät der Universität Düsseldorf ausgezeichnet wurde. 2012 wurde sie mit einer Arbeit zu den neuronalen Grundlagen des Entscheidungsverhaltens bei Führungskräften in Betriebswirtschaft an der Universität zu Köln promoviert. Nach einigen Jahren als PostDoc im Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-2) des Forschungszentrums Jülich habilitierte sie sich 2013 in Neurowissenschaften an der Universität Düsseldorf zum Thema Struktur-Funktionsbeziehungen in Assoziationsgebieten des menschlichen Gehirns. 2015 erhielt sie den Ruf auf die W2-Professur für Konnektivität im menschlichen Gehirn am C. und O. Vogt Institut für Hirnforschung der Universität Düsseldorf und wurde gleichzeitig Arbeitsgruppenleiterin für Konnektivität sowie stellvertretende Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) im Forschungszentrum Jülich. Im gleichen Jahr erhielt sie den Nachwuchspreis der Anatomischen Gesellschaft und den Förderpreis für Wissenschaft der Stadt Düsseldorf und erlangte die Anerkennung als Fachärztin für Anatomie der Ärztekammer Nordrhein. Unter Beibehaltung ihrer Position in Jülich ist sie seit 2018 W3-Professorin für Anatomie und leitet das Institut für Anatomie I an der Universität Düsseldorf. Seit 2020 ist sie Prodekanin für Lehre und Studienqualität der Medizinischen Fakultät der Universität Düsseldorf. 2021 wurde sie in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen.

Prof. Dr. Dr. Svenja Caspers war von 2013 – 2015 Stipendiatin im Jungen Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.