An Gefühle appellieren. Zu Fallstricken der Empfänglichkeit.

Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe, Universität Bochum

Gefühle können nicht verordnet, nicht erzwungen und auch nicht versprochen werden. Sie widerfahren uns und werden wachgerufen. Man kann jemandem auch ein Gefühl geben. Gefühle werden nicht nur sprachlich artikuliert. Sie finden ihren Ausdruck u. a. in Kunstwerken oder in der Musik. Sie bedeuten vorprädikative Zuwendungen zum anderen, zur Welt und zu uns selbst. Ambivalenzen von Emotionen zeigen sich, wenn an Gefühle als Aktionspotenziale appelliert wird, sie aber auch manipuliert und instrumentalisiert werden. Auf den Registern von Ängsten, Unsicherheiten und Vertrauensverlusten werden Stimmungen angeheizt und Emotionen hochgekocht. In kommunikativen Netzwerken wird gedemütigt, herabgewürdigt, gedroht. Es wird attackiert, nicht ausgehandelt. Der Kampf um Aufmerksamkeit benutzt die Attraktivität des Negativen. Missachtung etwa fesselt mehr als Anerkennung. Sachthemen werden personalisiert und affektiv aufgeladen. Verschwörungserzählungen wimmeln im Netz und stacheln zu Hass und Hetze an. Eine mitunter militante Sprache wird im öffentlichen politischen Austausch normalisiert. Kommentare in den sozialen Netzwerken erreichen einzelne, aber gleich- zeitig auch Massen. Eine empfindliche Dauererregung verursacht eine emotional explosive Stimmung. Unter Nicht-Anwesenden herrscht ein reger Austausch. Die Bedeutung, die heute Gefühlen in Theorie und Praxis zukommt, ist vor allem angesichts der Nutzung sozialer Medien angewachsen. Ein erster Schritt des Vortrags widmet sich dieser Komplikation. In einem zweiten Abschnitt soll an den Versuch erinnert werden, Gefühle im Prozess der Bildung zu berücksichtigen und daher Bildung als Empfänglichkeit sowie Sensibilisierung zu konzipieren. Im dritten und letzten Passus werden Zweifel an diesem Konzept markiert und schließlich Fallstricke problematisiert, ohne die Bedeutung des Fingerspitzengefühls herunterzuspielen.

Prof. Dr. Dr. h. c. Käte Meyer-Drawe studierte von 1968 bis 1971 an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe in Bielefeld und legte dort das 1. Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie ab. Das Zweite Staatsexamen folgte 1973 in Witten. 1977 wurde sie an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe zum Dr. paed. promoviert. Von 1977 – 1979 arbeitete sie als Wissenschaftliche Assistentin im Fachbereich I der Universität Bielefeld. Ab Oktober 1979 übernahm sie die Stelle einer Wissenschaftlichen Assistentin im Institut für Pädagogik der Ruhr-Universität Bochum. Hier schloss sie 1983 das Habilitationsverfahren mit der Venia Legendi für das Fach Pädagogik ab. 1984 wird sie zur Professorin auf Zeit am Institut für Pädagogik der Ruhr-Universität Bochum ernannt. 1987 folgt die Ernennung zur Universitätsprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum mit dem Arbeitsschwer- punkt Allgemeine Pädagogik. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Phänomenologische Forschungen, von 1994 bis 2017 Mitglied des Beirats (gleichzeitig Mitglied des Beirats der Zeitschrift „Phänomenologische Forschungen“), seit 2017 Ehrenmitglied der Gesellschaft. Von 2000 bis 2005 fungierte sie als Vizepräsidentin. Seit Anfang 1999 ist sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Zeitschrift „Journal Phänomenologie“ (Wien), seit 2005 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der „Eugen Fink Gesamtausgabe“, seit 2008 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Reihe „Pädagogik und Philosophie“ (Verlag Karl Alber), seit August 2009 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Waldenfels-Archivs an der Universität Freiburg. Am 30. September 2014 trat sie in den Ruhestand. Im Mai 2022 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Alpen-Adria- Universität Klagenfurt verliehen.

Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe ist seit 2015 ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.